Buchtipp für Erwachsene Januar 2017

Christoph Hein: Glückskind mit Vater

1. Aufl. - Berlin : Suhrkamp, 2016. - 525 Seiten
ISBN 978-3-518-42517-6

(© suhrkamp)

Zum Buch:

Seit der Novelle „Drachenblut“ zählt Christoph Hein zu den großen Chronisten unter den zeitgenössischen deutschen Autoren. In seinem 2016 erschienenen Roman „Glückskind mit Vater“ blickt er zurück auf 70 Jahre deutsche Geschichte.

In der sowjetischen Besatzungszone wird Konstantin Müller in einer kleinen Stadt 1945 geboren. Zu diesem Zeitpunkt ist sein Vater bereits tot – hingerichtet als Kriegsverbrecher. Er war überzeugter Nazi und Fabrikdirektor und plante sogar den Bau eines Konzentrationslagers auf dem Werksgelände. Während des Krieges werden ihm viele Gräueltaten zugeschrieben.
Die Mutter nimmt ihren Mädchennamen wieder an und auch Konstantin und sein Bruder Gunthard heißen ab 1948 nicht mehr Müller, sondern Boggosch.
Konstantin hat seinen Vater nie kennen gelernt und auch von einer Erziehung im Geiste des Nationalsozialismus kann in der Familie nicht die Rede sein. Doch die ganze Familie leidet unter dem Erbe, das der Vater Ihnen durch seine Taten hinterlassen hat.
Beiden Kindern wird in der DDR der Zugang zu Bildung und Studium verwehrt, Lehrer, Mitschüler und Nachbarn begegnen der Familie mit offener Feindschaft.

Konstantin hält diese Repressalien nicht länger aus und flieht ohne das Wissen der Familie als vierzehnjähriger Junge über Berlin nach Marseille, um sich der Fremdenlegion anzuschließen. Doch dort wird er nur ausgelacht. Der kluge und sprachbegabte Junge, der von seiner Mutter bereits in der Kindheit verschiedene Fremdsprachen erlernt hat, findet aber einen Job als Übersetzer und Sekretär bei vier Franzosen, ehemaligen Mitgliedern der Résistance. Die Wahrheit über seinen Vater kann er seinen Arbeitgebern, die bald zu seinen besten Freunden zählen, nicht sagen und wieder flieht er vor seiner Vergangenheit.
Die Sehnsucht nach seiner Mutter lässt ihn kurz vor dem Mauerbau in die DDR zurückkehren und nach einigen Rückschlägen, die er durch den langen Schatten seines Vaters erlebt, kann er sogar noch Pädagogik studieren und das Leben hält noch einige Überraschungen für ihn bereit.
Doch Zeit seines Lebens leidet er unter den Schatten der Vergangenheit, die unverschuldet auf ihm lasten und seine Akte und deren Einträge, die ihn immer wieder einholen an den verschiedenen Stationen seines Lebens. Daraus entsteht eine lebenslange Flucht, die der Autor so fesselnd erzählt, dass beim Lesen ein Sog entsteht, dem man sich nicht entziehen kann. Konstantins’ Geschichte spiegelt 70 Jahre deutsche Geschichte wider und wirkt trotz der oft ernsten Thematik nie traurig, sondern nimmt den Leser mit auf eine Reise durch das Leben.

Zum Autor:

Christoph Hein, geboren 1944 in Heinzendorf in Schlesien, aufgewachsen in Leipzig und Westberlin, kehrte 1960 in die DDR zurück und arbeitete von 1961-67 unter anderem als Journalist, Schauspieler und Regieassistent. Von 1967 - 71 studierte er Philosophie in Leipzig und Berlin (Humboldt Universität). Danach arbeitete er zunächst als Dramaturg, ab 1974 auch als Autor der Volksbühne Berlin. Seit 1979 ist er freier Schriftsteller und seit 1992 Mitherausgeber der Wochenzeitung „Freitag“. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste der DDR (1982), dem Erich-Fried-Preis (1990), dem Schiller-Gedächtnispreis des Landes Baden-Württemberg (2004) und dem Walter-Hasenclever-Literaturpreis der Stadt Aachen (2008). 2010 wurde Christoph Hein der Eichendorff-Literaturpreis verliehen, 2012 der Uwe Johnson Preis und 2013 der Internationale Stefan-Heym-Preis der Stadt Chemnitz. Der Autor lebt in Berlin.

„Christoph Hein hat einen großen klugen, einen packenden Roman über die Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg bis in unsere Gegenwart geschrieben ...“

Rose-Maria Gropp, Frankfurter Allgemeine Zeitung

„[Christoph Hein] versteht sich als Chronist, erzählt dicht an der Realität, bewegt sich im Steinbruch der eigenen Biographie und verdichtet 45 Jahre deutsche Geschichte bis zur Wende 89 ...“

Cornelia Zetzsche, BR2 Kultur aktuell

vorgestellt von Andrea Effinger