Buchtipp für Erwachsene 06/021: Carole Fives: Kleine Fluchten

1. Auflage. - Wien : Paul Zsolnay Verlag, 2021. - 138 Seiten
EST: Tenir jusqu‘à l’aube. - Aus dem Französischen
ISBN 978-3-552-07226-8 fest geb. : EUR 19.00

(© Paul Zsolnay Verl.)

Welches Elternteil wünscht sich in diesen Zeiten gerade nicht eine „Kleine Flucht“? Eine Auszeit von Erziehung und Versorgung der Kinder ist schon bei zwei Elternteilen oft ein rares Gut. Doch wie sieht der Alltag bei Alleinerziehenden aus, die noch ein sehr kleines und betreuungsintensives Kind haben? Damit beschäftigt sich die französische Autorin Carole Fives in ihrem neuen Roman „Kleine Fluchten“.
In einer größeren Stadt in Frankreich lebt eine junge Alleinerziehende mit ihrem gerade einmal zweijährigen Sohn. Der Vater hat sich schnell nach der Geburt aus dem Staub gemacht und kümmert sich nicht um seinen Nachwuchs. Auch finanzielle Unterstützung hat die Mutter keinerlei vom leiblichen Vater. Doch der kleine Junge mit seinen blonden Locken zieht die Aufmerksamkeit seiner Umwelt auf sich und auch die Mutter liebt ihn sehr. Sie ist Grafik-Designerin und selbstständig, doch seit der Geburt des Sohnes rund um die Uhr mit der Pflege des Jungen beschäftigt. Zeit zum Arbeiten bleibt ihr nur wenig und da sie fremd und allein in der Stadt ist, hat sie keinerlei Unterstützung von Freunden oder der Familie.
So versucht sie am Abend noch Aufträge abzuarbeiten und die Schlafenszeiten des Jungen für ihre Arbeit zu nutzen. Das bringt sie oft an den Rand der Erschöpfung und sie beschließt eines Tages, währnd der Schlafenszeiten des Jungen, einen Spaziergang durch die Stadt zu machen. Erst werden das nur kurze Ausflüge mit klopfendem Herzen, später werden diese „kleinen Fluchten“ immer länger. Stets mit dabei ist ein schlechtes Gewissen, aber sie sehnt sich danach, abends mal auszugehen, das Leben zu genießen und Zeit für sich und ihre Hobbys zu haben. Wie lange werden diese abendlichen „Fluchten“ gutgehen?

Unheimlich intensiv wird man als Leser*in auf eine Reise in den Alltag und die Lebenswirklichkeit einer Alleinerziehenden genommen. Man spürt die tägliche Überforderung, die Einsamkeit, die Angst zu scheitern und die Liebe, die sie ihrem Kind gegenüber spürt. Ihre Geschichte steht stellvertretend für viele Mütter, die ihren Alltag in der Gesellschaft unter schwierigen Bedingunge leben und versuchen allen Anforderungen gerecht zu werden. Die Geschichte hat nur knapp 140 Seiten, aber die lohnt es sich zu entdecken.


Pressestimmen:

"In knappen, präzisen Sätzen schildert Carole Fives den Alltag einer Alleinerziehenden, die versucht Mensch und Frau zu bleiben. ... Ein sehr kluger und zugleich spannender Roman." Barbara Geschwinde, WDR 5 Bücher, 07.05.21

"Der Roman ist so eindringlich, dass man fast Beklemmung verspürt. Bis zum spannungsreichen Finale bleibt offen, ob die Heldin einen Ausweg findet oder an der empathielosen Gesellschaft zerbricht." Heinz Gorr, BR2 Favoriten, 07.03.21

"Eine brillante Studie über die Einsamkeit junger Mütter in der Großstadt. Mit geradezu chirurgischer Genauigkeit beschreibt Carole Fives die vielen kleinen Alltagsszenen, die mühseligen Routinen eines Lebens im Hamsterrad. Es ist eine Geschichte großer Verlorenheit, aber auch der anmaßenden Selbstgerechtigkeit einer Gesellschaft, die ganz genau weiß, welche Rolle eine Mutter einzunehmen hat." Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.04.21

Zur Autorin

(© Carole Fives)

Carole Fives, geboren 1971, ist bildende Künstlerin und Autorin. Für ihre Romane und Erzählungen wurde sie in Frankreich bereits mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt erschienen ihre Romane  „Eine Frau am Telefon (2018)“ und „Kleine Fluchten (2021)“ bei Zsolnay auf Deutsch.

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