Buchtipp für Erwachsene April 2020

Janet Lewis: Der Mann, der seinem Gewissen folgte

Übersetzerin: Susanne Höbel.
München : dtv, 2019. - 268 Seiten
Originaltitel: The trial of Sören Qvist
ISBN 978-3-423-28190-4 fest gebunden : EUR 22.00
ISBN 978-3-499-27517-3 kt. : EUR 9.99

(© dtv)

Zum Roman:


Die Handlung des Romans beginnt in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges. In einem kleinen Dorf Aalsö im dänischen Jütland taucht ein einarmiger Fremder in abgewetzter Soldatenuniform auf. Er bittet im Pfarrhaus um Essen und Unterkunft. Der Mann, der als Soldat 1632 bei einer Schlacht einen Arm verloren hat und sich seit 14 Jahren als Bettler durchs Leben schlägt, kehrt wieder in seine Heimatstadt zurück. Doch die Bewohner des Pfarrhauses sind ängstlich nach den Plünderungen des Krieges. Misstrauisch wird der Fremde befragt und er erzählt, dass er zurückgekehrt sei, um das Erbe seines verstorbenen Bruders Morten Bruus aus Vejlby anzutreten. Der Bruder war landauf landab gefürchtet und so traut sich auch sein Bruder Nils Bruus erst nach dessen Tod wieder zurück. Auch berichtet er, dass er vor seinem Weggang hier im Pfarrhaus gearbeitet habe und im Dorf wohlbekannt sei. Doch diese Behauptung ruft bei allen Empörung hervor. Sie sind überzeugt, dass Niels Bruus seit mehr als 20 Jahren tot ist. Seine Leiche wurde vor den Augen vieler Zeugen im Garten des Pastors Sören Qvist ausgegraben und dieser wurde anschließend als Mörder hingerichtet.

In Rückblenden erzählt die Autorin nun wie es dazu kommen konnte, dass der von allen geschätze und geliebte Pastor Sören Qvist zum angeblichen Mörder wurde, ja sogar seine Schuld an einem Mord bekräftig, den er gar nicht begangen hat.

Die verhängsnivolle Geschichte beginnt mit der Weigerung des Pastors, seine Tochter mit dem verschlagenen Morton Bruus zu verheiraten. Dieser sinnt auf Rache und inszeniert mithilfe seines Bruder eine geschickte Intrige, die in einer Mordanklage gegen den Pator endet. Denn der gerechte Pastor hat eine Archillesverse: er ist fast krankhaft jähzornig.

In einer klaren, präzisen Sprache mit großem Feingefühl für den historischen Kontext erzählt die Autorin ein Geschichte um moralische, religiöse und existenzielle Fragen wie Schuld und Sühne, Prüfung und Erlösung. Auch wenn die Gedanken oft der damaligen Zeit verpflichtet sind, so ist die Beschreibung eines Menschen, dessen Leben durch eine Intrige zerstört wird, doch zeitlos und ohne Weiteres auf die Gegenwart übertragbar. So ist ihr Roman eine Ballade über das menschliche Gewissen geworden, der auch heute noch aktuell ist. Die Geschichte entwickelt einen Sog, dem man sich beim Lesen nicht mehr entziehen kann. Der Autorin ist ein kleines Meisterwerk gelungen, eine spanndende und anregende Lektüre, die glücklicherweise endlich ins Deutsche übersetzt wurde.

"Eine Prosa von furchteinflößender Kraft"

(Rainer Moritz)

Über die Autorin

(© Janet Lewis)

Janet Lewis (1899 - 1998) wurde in Chicago geboren und lebte lange Zeit in Kalifornien. Sie studierte französische Literatur an der University of Chicago, wo sie Teil eines Literatenkreises wurde, dem unter anderem Glenway Wescott, Elizabeth Madox Roberts und Maurice Leeseman angehörten. Lewis wurde 1920 zum Bachelor of Philosophy (PhB) graduiert.
Sie veröffentlichte 1922 den Gedichtband „The Indians in the Woods“.
Im gleichen Jahr erkrankte sie an Tuberkulose und heiratete nach einer langwierigen Genesung 1926 den Schriftsteller und Literaturkritiker Yvor Winters, sie hatten zwei Kinder und zogen nach Kalifornien, wo Winters 1928 Hochschullehrer an der Stanford University wurde. Ihr erster Roman „The Invasion“ über eine schottisch-irisch-indianische Familie erschien 1932.
Lewis veröffentlichte mehrere Gedichtbände und schrieb sechs Libretti, die vertont wurden sowie mehrere Liedtexte.
Zu ihren herausragenden Prosawerken gehören drei Romane zu historischen Kriminalfällen, die sie zwischen 1941 und 1959 veröffentlichte. Einer davon ist "Der Mann, der seinem Gewissen folgte" von 1947, der erst jetzt in Deutscher Erstausgabe bei dtv erschienen ist. Zuvor hatte der Verlag bereits Lewis’ bekanntestes Prosawerk “Die Frau, die liebte" veröffentlicht. Die Veröffentlichung ihres dritten Werkes im Deutschen „The Ghost of Monsieur Scarron“ (1959) wird sicherlich noch folgen.

Zusammen mit ihrem Mann, dem Dichter Yvor Winters, war sie ihr Leben lang politisch streitbar und aktiv, vehemente Kriegsgegnerin und Fürsprecherin der Indianer und Schwarzen.


(Andrea Effinger)