Buchtipp für Erwachsene Januar 2020

William M. Kelley: Ein anderer Takt

Kelley, William Melvin: Ein anderer Takt : Roman / William Melvin Kelley. Übers.: Dirk van Gunsteren. - Hamburg : Hoffmann und Campe, 2019. - 299 Seiten : Illustrationen ; 21 cm
EST: A different drummer. - Aus dem Englischen
ISBN 978-3-455-00626-1 fest geb. : EUR 22.00 - ISBN 978-3-455-98354-8

(© Hoffmann und Campe)

Wie so oft in dem kleinen Südstaaten-Ort Sutton, treffen sich Männern aus der Gegend auf der Veranda des Lebensmittelladens und vertreiben sich die Zeit mit Plaudereien. Unter ihnen sind Farmer, Handwerker, ein pensionierter Offizier und auch ein kleiner Junge ist meist mit dabei. Sie tauschen Neuigkeiten aus, erzählen sich Geschichten und gelegentlich genehmigen sie sich einen Whiskey. Das Leben geht seinen gewohnt langsamen Gang, bis eines Tages im Sommer 1957 ein Lastwagen mit einer Ladung Salz die Straße herunter kommt und der Fahrer nach dem Weg zur Farm von Tucker Caliban fragt.

Tucker ist Nachfahre eines legendären Sklaven, dessen Kräfte nur von seinem Stolz übertroffen wurden. Niemals hätte er für einen Weißen Sklavendienste geleistet. Nur wenige Tage nach seiner Ankunft in Amerika wurde er erschossen.

Sein Urenkel, der schweigsame Tucker, war zeit seines Lebens im Dienste der Familie Willson und ist mittlerweile Eigentümer eines Stück Landes, das er mit seiner Frau bewirtschaftet. Wofür braucht er zehn Tonnen Salz? Die Männer beschließen dem nach zu gehen und fahren zur Farm. Dort geschieht Ungeheuerliches: In stundenlanger Arbeit verteil Tucker das Salz auf seinen Feldern, erschießt Kuh und Pferd und zündet schließlich das Haus an, bevor er mit seiner Familie den Ort verlässt. Und nicht nur sie, alle Schwarzen verlassen in den nächsten Tagen mit ihrem Hab und Gut das Land, auf dem ihre Vorfahren als Sklaven arbeiten mussten und ziehen nach Norden. Der weiße Teil der Bevölkerung bleibt fassungslos zurück. Hilflos und wütend versuchen sie, das Geschehene zu verstehen. Eine explosive Stimmung entsteht. Nur wenige ahnen, dass gerade ein System scheitert, das kaum Veränderungen zuließ und so Opfer seines eigenen reaktionären Weltbildes geworden ist.

William Melvin Kelley ist neben James Baldwin, Richard Wright und Ralph Ellison ein weiterer afroamerikanischer Schriftsteller, dessen Bücher in letzter Zeit neu aufgelegt wurden. „Ein anderer Takt", im Original „A different drummer" erschien 1962 in den USA aber erst dieses Jahr in deutscher Übersetzung. Gemeinsam sind den Autoren die Themen wie Alltagsrassismus, Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Kelley war erst 24 Jahre alt, als er mit seinem Debutroman großes Aufsehen erregte. Bemerkenswert ist die Perspektive, aus der er die Geschichte erzählt. Ausschließlich weiße Einwohner des Ortes kommen zu Wort, Liberale sowie rassistische Traditionalisten. Die Motive für den Exodus bleiben so allerdings ungesagt, denn die Stimme der Schwarzen fehlt.

 

 

Über den Autor

William Melvin Kelley wurde 1937 in New York geboren. Mit dem Ziel, Anwalt für Bürgerrechte zu werden, schrieb er sich 1956 an der Harvard University ein, scheiterte jedoch an seiner Leseschwäche. Er wechselte das Studienfach und studierte Englisch, brach aber auch dieses kurz vor dem Abschluss ab, da ihm das Schreiben wichtiger war und sich erste Erfolge einstellten. Als Reaktion auf die Ermordung des Bürgerrechtlers Malcolm X im Jahr 1965 verließ Kelley mit seiner Familie das Land und lebte erst in Paris und später auf Jamaika, kehrte jedoch 1977 nach New York zurück. Bis zu seinem Tod 2017 war er trotz schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigungen als Dozent für kreatives Schreiben tätig.

 

 

Sabine Fürst