1. Auflage. - Hildesheim : Gerstenberg, 2025. - 189 Seiten: Karten, schwarz-weiß; 23 cm
ISBN 978-3-8369-6355-8 Festeinband: 15,00 €
Dieses Buch erzählt eine wahre Begebenheit. Es ist allerdings schon einige Jahre her, dass diese sich so zugetragen hat. Es ist die Geschichte, die das Leben des 16-jährigen Thomas Raufeisen aus Hannover 1979 auf den Kopf stellt.
An einem Januarabend kommt der Vater früher von der Arbeit im Büro nach Hause als sonst. Seiner Frau und den beiden Söhnen Michael und Thomas erklärt er, dass sie sofort in die DDR fahren müssen. Auf der Arbeit bekam er einen Anruf, dass der krebskranke Opa im Sterben liegt. Also fangen alle sofort mit dem Packen an.
An der Grenze gibt es seltsamerweise keine Probleme, oder die sonst üblichen langen Wartezeiten. An einer Raststätte stellt sich ein Wartburg mit zwei Männern zu ihnen neben den Parkplatz. Die beiden erklären der Familie, dass sie sich nun um sie kümmern werden.
Es ist der Augenblick, bei dem der Vater allen gestehen muss, dass er jahrelang als sogenannter „Kundschafter des Friedens“, als Spion für die DDR gearbeitet hat, nun enttarnt wurde und in der DDR untertauchen muss – mitsamt Familie.
Für Thomas beginnt von heute auf morgen ein für ihn falsches Leben in einer ihm fremden Welt: in einer verwanzten Wohnung in Ost-Berlin, an einer neuen Schule mit Fahnenappell und Wehrkunde. Sein älterer Bruder Michael rebelliert offen gegen den Vater und das restriktive System. Da er bereits 18 Jahre alt ist und nichts unterschrieben hat, wird er relativ schnell wieder in die BRD abgeschoben.
Thomas Vater realisiert im täglichen DDR-Leben, dass sein Bild vom glücklichen und gerechten Sozialismus nie realisiert worden ist. Darum plant er, mit seiner Familie die DDR wieder zu verlassen. Doch mehrere Fluchtversuche scheitern und alle drei landen im berüchtigten Stasi-Gefängnis Bautzen II.
Jugendlichen von heute ist die Existenz der DDR nur noch aus dem Geschichtsunterricht, alten Filmen oder von Erzählungen in der Familie bekannt. Daher dürfte der Blick in die deutsch-deutsche Geschichte der 1970er Jahre auf viele schon ziemlich exotisch wirken: Zeit des Kalten Kriegs, Spionage und Gegenspionage. Von einer Jugend, in der westliche Pop- und Rockmusik, Donald-Duck-Taschenbücher oder kapitalistische Brettspiele wie Monopoly verboten waren.
Der Autorin Maja Nielsen ist nach ihrem letzten zeithistorischen Roman „Der Tunnelbauer“ erneut eine hervorragend recherchierte Geschichte während er Deutschen Teilung gelungen. Sie dokumentiert das Leben des 16-jährigen Thomas aus der Ich-Perspektive mit zum Teil schockierenden Darstellungen aus dem Gefängnis. Dabei sind die sehr bedrückenden Schilderungen nicht erfunden oder von der Autorin dazugeschrieben worden. Thomas Raufeisen hat diese Geschichte wirklich so erlebt. Viele Interviews und Gespräche sind die Grundlage für diesen Jugendroman. Thomas Raufeisen saß für drei Jahre unschuldig im Gefängnis, während andere Jugendliche in dieser Zeit auf Partys gingen, sich zum ersten Mal verliebten und ein Leben in Freiheit genossen. Im Videointerview mit den beiden sagt Thomas Raufeisen selbst: Aus meiner Geschichte kann man lernen, wie schnell man seine Freiheit verlieren kann, wenn die Demokratie verloren geht.
Darum engagiert sich Thomas Raufeisen heute in der politischen Bildungsarbeit, arbeitet als Zeitzeuge und hält Vorträge und bietet Führungen im Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen an. Der Roman ist für Jugendliche ab 14 Jahre geeignet.